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Best Practice: Innovative Ansätze in der Smart City Bad Nauheim

Zu einer gut funktionierenden Smart City gehört einerseits das richtige Mindset – bei der Bevölkerung und den Entscheidern. Das hat Matthias Wieliki im DISTAMA-Interview bereits ausführlich erläutert. Wieliki ist Fachbereichsleiter Zentrale Steuerung in Bad Nauheim. Andererseits komme es aber auch darauf an, Smart City Technologie zielgerichtet einzusetzen, führt er weiter aus.

Wie das aussehen kann, erläutert der Fachbereichsleiter für die DISTAMA anhand des Beispiels Bad Nauheim. In der hessischen Kurstadt werden bereits einige Smart City-Anwendungen erfolgreich eingesetzt.

Herausforderungen der Innenstädte

„Die Innenstadt ist der Pulsgeber der Stadt“, sagt Wieliki. „Sie hat – wie überall – eine ganz besondere Bedeutung.“ Wenn eine attraktive Geschäftslandschaft und angenehme Aufenthaltsräume fehlen, dann veröde so eine Innenstadt relativ schnell. Doch Online-Handel, zu wenige Parkplätze, immer heißere Innenstädte und wenig Grünanlagen sorgen dafür, dass die Aufenthaltsqualität immer weiter sinke.

Ein gutes Smart City-Konzept könne dem entgegenwirken. „Wir in Bad Nauheim haben gesagt, wir möchten Smart-City-Technologie dafür einsetzen, dass Menschen die Innenstadt wieder als Ort erleben, der eine hohe Aufenthaltsqualität hat“, bekräftigt Wieliki. Und um zu wissen, was die Menschen sich für die Innenstadt wünschen, wurden sie kurzerhand befragt.

Die Resonanz sei sehr hoch gewesen. Es gab ein hohes Interesse aus der Bevölkerung, die Innenstadt mitzugestalten. Und diese Ergebnisse aus der Umfrage waren am Ende der ausschlaggebende Faktor, um entsprechende Smart City-Technologien im Innenstadtbereich einzusetzen.

Technologie-Einsatz in Bad Nauheim

Dafür wurden in Bad Nauheim vier Handlungsfelder definiert, um das Leben in der Stadt zu verbessern:

  1. Verkehr und Mobilität
  2. Ordnung und Sauberkeit
  3. Umwelt und Klima
  4. Sicherheit

Die Grundlage für eine Smart City sind Daten. Auf Basis dieser Daten können Schwerpunkte in den verschiedenen Handlungsfeldern identifizieren werden, woraus entsprechende Maßnahmen ergriffen werden können. Intelligente Algorithmen helfen dabei, Zusammenhänge und Synergien zwischen den Handlungsfeldern zu identifizieren. So können Entwicklungen frühzeitig erkannt und gezielt darauf reagiert werden.

Smart City-Daten als Grundlage

Zur Datenerhebung wurden überall in der Innenstadt – kaum sichtbar – verschiedene Sensoren installiert, um eine belastbare Grundlage für die Analysen zu schaffen. Dabei wurde allerdings ein großer Wert auf Transparenz gelegt, betont Wieliki.

Die Stadt Bad Nauheim tut daher auch etwas dafür, das Vertrauen der Bevölkerung zu erhalten. An verschiedenen Stellen werde erläutert, dass die Stadt ethisch korrekt mit den Daten umgeht. „DSGVO ist das eine, das andere ist eine darüberhinausgehende Erklärung, ein Manifest, was wir uns gegeben haben“, sagt Wieliki.

Des Weiteren werden die Daten nicht nur den Entscheidern im Rathaus zur Verfügung gestellt, sondern auch der Bevölkerung. In Form eines Dashboards werden die Daten visualisiert und den Menschen in Bad Nauheim zur Verfügung gestellt. Im Rathaus dienen sie der Unterstützung von Steuerungsentscheidungen und einem effizienten Ressourceneinsatz.

Doch wie genau werden die Smart City Technologien nun in den vier Handlungsfeldern genutzt?

1. Verkehr und Mobilität

Für dieses Handlungsfeld wird mithilfe von Echtzeitbewegungsdaten der Verkehr von Autos, Motorrädern, Rollern, Fahrrädern und Fußgängern gemessen. Diese Daten liefern Informationen dazu, wo der meiste Verkehr langläuft und wie voll die Innenstadt gerade ist. Die Daten helfen dabei, Verkehrsströme zu verstehen und Alternativen anzubieten.

Unter anderem habe die Stadt Bad Nauheim darauf reagiert, indem ziel- und bedürfnisorientierte Mobilitätsangebote gemacht wurden, erläutert Wieliki. So wurden unter anderem die Stadtbusse neu getaktet und das E-Bike-Sharing ausgebaut. Die Daten können aber auch als Grundlage genommen werden, um städtebauliche Veränderungen vorzunehmen, und die besonders frequentierten Bereiche aufzuwerten. So werde dann auch wieder die Aufenthaltsqualität gesteigert.

Auch die Einzelhändler profitieren von den Daten. Ähnlich wie es in großen Einkaufszentren bereits der Fall ist, werde gemessen, wann, wo und wie viele Fußgänger durch die Innenstadt laufen. Auf diese Daten könnten die Unternehmen dann reagieren, indem sie Ableitungen für den zielgerichteten Geschäftsbetrieb vornehmen können.

2. Ordnung und Sauberkeit

„Bad Nauheim ist Kurstadt und Gesundheitsstadt“, sagt Wieliki, „den Menschen hier ist Sauberkeit und ein gepflegtes Stadtbild sehr wichtig.“ Damit diese gewährleistet ist, brauche es Ressourcen für die Stadtreinigung – die idealerweise auch effizient eingesetzt werden sollten. In Bad Nauheim bedeutet das, die Straßenreinigung dorthin zu schicken, wo sie wirklich gebraucht wird.

Hier gibt es bereits eine Überschneidung mit dem Feld „Verkehr und Mobilität“. Da, wo die Passantenfrequenz besonders hoch ist, laufen besonders viele Menschen entlang und es gibt mehr Müll.

Des Weiteren wird bei vielen Mülleimern in der Innenstadt und in Außenlagen der Füllstand mit Sensoren gemessen. Die Mülleimer geben der Müllabfuhr Bescheid, wie voll sie sind. Die Routen werden dafür immer wieder neu angepasst, sodass immer nur die vollen Abfallbehälter angefahren werden.

So werden gleich mehrfach Ressourcen gespart. Einerseits spart die Müllabfuhr Zeit, da keine leeren Mülleimer angefahren werden, andererseits wird durch die kürzeren Routen der Verkehr entlastet, was ebenfalls wieder in das Handlungsfeld „Mobilität und Verkehr“ einspielt.

3. Umwelt und Klima

Gleiches gilt für die Bewässerung von Pflanzen in der Stadt. Damit nur die Pflanzen angefahren werden, die Wasser brauchen, gibt es in der Kurstadt Wettersensoren, die Wind, Niederschlag und Temperatur messen sowie Bodenfeuchtesensoren. Das spart Wasser, entlastet den Verkehr und ist effizient.

Auch die Luftqualität wird gemessen. Emissionsschwerpunkte durch den Verkehr werden so rechtzeitig erkannt und es kann darauf reagiert werden. Dadurch wiederum können der ökologische Fußabdruck sowie die lokalen Folgen des Klimawandels reduziert werden, erläutert Wieliki.

4. Sicherheit

An den Plätzen in Bad Nauheim, wohin die Ordnungspolizei immer wieder ausrücken musste und wo es immer wieder Beschwerden gab, hat die Stadt Bad Nauheim Geräuschsensoren angebracht, führt Wieliki aus. Diese messen den Lautstärkepegel. Die Dezibel-Belastung gebe dann Aufschluss darüber, wie hoch die Belastung tatsächlich bei einer Beschwerde war. Um ethisch korrekt zu bleiben, sind die Sensoren nicht in der Lage, mehr als den Lautstärkepegel zu erfassen.

Gleichzeitig könnten durch den gemessenen Lärm kritische Situationen frühzeitig erkannt werden. Die Ordnungskräfte könnten so gezielt eingreifen. Das wiederum steigere das Sicherheitsgefühl in der Stadt.

Auf dem Weg zur Smart City

Bei all den Möglichkeiten, die die moderne Smart-City-Technologie bietet, sollte sie jedoch nie zum Selbstzweck eingeführt werde, betont Wieliki. „Wir digitalisieren nicht, weil wir es können, wir messen nicht mit Sensoren, weil es möglich ist, sondern wir lösen Probleme in der Stadt auf faktenbasierten Erkenntnissen.“ Und diese Probleme sowie die zur Lösung erforderlichen Erkenntnisse sollte jede Stadt zuvor für ihren Standort formulieren, um anschließend klug zu entscheiden, welche Technik für sie infrage kommt. Erst im zweiten Schritt können dann Synergien aufgedeckt und Ableitungen getroffen. Und erst dann schafft Smart City das, was sie schaffen soll: ein lebens- und liebenswerter Ort werden, wo Menschen gerne leben.

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